Das Leben lebt sich von Augenblick zu Augenblick, so dass es mir in letzter Zeit immer schwerer fällt, Rückblick zu halten und Dinge, Situationen, Erfahrungen im Nachhinein zu beschreiben. Das Erzählen über vergangene Zeiten - und genau das ist es ja - hindert mich zunehmend am Erleben des jetzigen Momentes. (Wenn ich darüber weiter nachdenke, erübrigt sich jeder Blogeintrag, erübrigt sich jedes Foto, also lasse ich das mit dem Nachdenken erstmal und schreibe trotzdem ein wenig über unseren längst vergangenen Urlaub... ;)
Wir verbrachten unsere beiden Zweisamkeitswochen in diesem Jahr in den französischen Alpen, ca. 60 km südlich von Grenoble, in der Region Triéves fernab vom touristischen Rummel. Das kleine Ferienhäuschen lag auf gut 1000 m über dem Meeresspiegel am Fuße des Berges Obiou. Und dieser Berg war es, der mich am Tag der Anreise bereits in seinen Bann zog. Er war hinter Wolken und Nebel versteckt und hatte sich unsichtbar gemacht. Plötzlich öffnete sich ein "Fenster" nach dem anderen und da, wo vorher nichts zu sein schien, war er...
Der Mount Obiou lehrte mich auf ein Neues, dass unsere Wahrnehmung ein trügerisches Ding ist und dass es nicht lohnt, um "richtig" oder "falsch" zu streiten. Denn der Berg ist da und er ist nicht da und es ist immer der gleiche Berg, obwohl jede Tageszeit und jedes Wetter dafür sorgt, dass sich sein Gesicht verändert.
Meinen Spinnplatz richtete ich mir so ein, dass ich mit dem Berg Zwiesprache halten konnte.
In diesem Urlaub verfügte ich über den Luxus eines begehbaren Wolllagers, denn ich hatte alle für den Spinnkurs in der Schweiz mitgebrachten Materialien im zweiten Schlafzimmer des Häuschens ausgebreitet.
Zuerst verarbeitete ich das Geschenk von Mirjam - ganz wunderfein kardierte Vliese - zu einem Flammengarn, aus dem ich eine variabel zu tragende Kapuze stricken möchte...
Anschließend kümmerte ich mich um die Vorbereitung meines Beitrages zum Fasertausch und dann entstanden so nach und nach diese Garne...
Die erste Woche hatte ich jedoch kaum Zugang zu Farben, fühlte mich erschöpft, traurig, zweiflerisch, antriebsarm, grau und hatte ziemlich damit zu tun, diesen lang nicht mehr erlebten Zustand zu akzeptieren. Für Momente glaubte ich, das innere Licht verloren zu haben...
Geholfen hat mir - wie so oft - die Natur, die ist, wie sie ist, unbeeindruckt durch die Wetter und die Jahreszeiten geht, sich verändert und in der Veränderung eine Stetigkeit behält, die schon wieder sicher anmutet...
Geholfen hat mir das Nebeneinander von Werden und Vergehen, von Aufblühen und Verwelken, von Leben und Tod.
Geholfen hat mir die Wärme des Feuers...
...der Wind auf der Haut und das Wissen um den blauen Himmel hinter den schwärzesten Wolken...
...Erde und Stein unter meinen Füßen...
...fließendes Wasser...
...das assoziative Schreiben, das Atmen...
Und so konnte ich das gefühlte Tal wieder verlassen, zu meiner Lebendigkeit zurückfinden und die Schönheit des Seins genießen...