Vor zwei Wochen fand das jährliche Wiesenfest statt - eine Veranstaltung von Sozius und dem Augustenstift Schwerin. Ich war mit einem Informationsstand zum Thema "Spinnen" vertreten, weil ich mir vorstellen konnte, dass viele der dort betreuten Senioren mit dem alten Handwerk einige Erinnerungen verbinden. Die Besucher konnten von der noch ungewaschenen Rohwolle, über die gewaschene und kardierte Wolle, das Singlegarn, den Zweifachzwirn, die Maschenprobe und das fertige Strickstück alle Arbeitsschritte von Schaf zum Pullover betrachten und befühlen.
Zur Freude der Kinder - sie kardierten sich lange Rauschebärte - hatte ich eine Kardiermaschine dabei. Außerdem gab es einen Spinnplatz zum Ausprobieren und viele, viele Fühlproben tierischer und pflanzlicher spinnbarer Fasern.
Nicht nur Senioren, sondern auch die betreuenden Begleiter befühlten die Wolle, erinnerten sich und erzählten von ihren eigenen Erfahrungen und Erlebnissen... Eine Frau erzählte z. B., dass sie nach dem Krieg Watte versponnen und aus dem Garn Unterwäsche gestrickt hatte. Ein anderer Mann sprach von einem kleinen Familienbetrieb rund um das Schaf. Er war eher traurig darüber, dass die Handwerkskünste in der heutigen Welt so gering geschätzt werden. Selten bin ich auf eine so schöne Weise mit soooo vielen verschiedenen Menschen ins Gespräch gekommen. Die Effektgarne, die ich zur Ansicht dabei hatte, lösten einiges Erstaunen aus und der Spinnplatz neben meinem war beinahe immer besetzt. Viele Kinder, aber auch Erwachsene spannen ihren ersten Faden.
Und hier eine besonders berührende Begebenheit: Eine sehr alte Frau im Rollstuhl wirkte abwesend und wie in einer eigenen Welt. Als die jugendliche Betreuerin ihr eine Flocke ungewaschener Rohwolle in die Hände gab, huschte ein Hauch des Erinnerns über ihr zerfurchtes Gesicht und sie kam für einen Moment zurück...