Dienstag, 13. November 2012

Auf Spurensuche…

Ich bin in einem atheistischen Elternhaus aufgewachsen. Mein Glaube, der sich in keine Religion einpassen lässt, entwickelte sich im Laufe meines Lebens ganz von selbst. Es ist ein Glaube an die Natur, an die allem innewohnende Schöpfungskraft, an Werden und Vergehen, an zyklische Entwicklungsmuster, an etwas, das größer ist als ich und als wir, etwas, das Sein und Nichtsein umfasst, an die Verbundenheit von allem mit allem…

Quitte, Äpfelchen, Hagebutten, Licht und Ahnenboot

Als ich kürzlich mit meinem Vater telefonierte, um ihn über seinen Vater auszufragen, dabei ein wenig von unserem geplanten Samhain-Ritual erzählte, meinte er: “Von mir hast Du das nicht…” Nein, das nicht. Aber die Liebe zum Garten, das Immer-aktiv-sein, das Berührbarsein und sicherlich noch vieles mehr…

Mein Großvater väterlicherseits kam 1906 in Schwerin zur Welt und starb 1980 mit nur 74 Jahren. Ich war bereits 14 Jahre jung. Trotzdem habe ich sehr wenig bewusste Erinnerungen an ihn. In Gedanken verbinde ich ihn mit Spaziergängen in den Friedrichsthaler Wald, mit den dort wachsenden Fliegenpilzen und mit im Ausflugslokal getrunkener Fassbrause.

Mein Großvater verlor früh seinen Vater, der bei einem Betriebsunfall ums Leben kam. Er war Elektromeister und starb bei der Behebung eines Defektes, zu dem er trotz Krankheit gerufen wurde, an einem Stromschlag. Karl August – mein Opa – lernte Orthopädiemechaniker…

Orthopädiemechaniker

…um später zum Heizungsmonteur umzusatteln. Er war leidenschaftlicher Radrennfahrer und Zweierkunstradfahrer.

Zweierkunstradfahrer

Das Wort, das mein Vater bei seinen Erzählungen über seinen Vater am häufigsten gebrauchte, war “gewissenhaft”.  Auf meine Nachfrage hin wurde schnell deutlich, dass es sich dabei um eine Art von Genauigkeit und Perfektionismus handelte, die mir sehr vertraut ist. AHA! Eine Spur, die sich bis in mein Leben fortsetzt.

Für wenige Wochen war er NSDAP-Mitglied. Dann wurde er herausgeworfen; er hatte mehrfach “aufgemuckt”. Zu DDR-Zeiten wurde ihm ebenfalls nahegelegt, der SED beizutreten, um die Meisterschule machen zu können. Das verweigerte er  – aber auf Umwegen gelang ihm trotzdem der berufliche Aufstieg, der seinem Wissen und seinen Fähigkeiten zu verdanken war. “Meister” durfte er sich jedoch nicht nennen. Mein Großvater ließ sich nicht gern sagen, was er tun bzw. lassen solle und brauchte immer seine Freiräume, um selbst entscheiden zu können. Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor…

Und mein Großvater feierte gern, war ein Animateur der guten Laune, war auch ein “Halodri” und war deshalb anfangs bei seiner Schwiegerfamilie nicht gern gesehen. Trotzdem heiratete er meine Großmutter und wurde Vater einer Tochter und eines Sohnes.

Im zweiten Weltkrieg arbeitete er in der Malchower Munitionsfabrik und war dort für die Heizungsanlage zuständig. Deshalb wurde er erst 1944 sehr spät eingezogen. Nach zwei Jahren – er war in amerikanischer Gefangenschaft – kam der 1,81 m große Mann mit einem Gewicht von knapp 50 kg zurück. Über diese Zeit sprach er kaum. Er glaubte, die Gefangenschaft nur überlebt zu haben, weil er praktisch so versiert war, dass er aus einem Nichts ein Etwas bauen konnte – aus Schrottteilen eine Dusche z. B.

Er war musikalisch und ein humorvoller Schelm. Diese Kombination aus gewissenhaft und lebensfroh gefällt mir. Und so stelle ich ein Foto von ihm auf und erinnere mich seiner mit einem Gefühl von Dankbarkeit.

Karl August

12 Kommentare:

Mopsfidel hat gesagt…

Immer berührst du mich mit dem, was du mit uns teilst.
Danke.
LG Petra

UTEnsilien hat gesagt…

Schön, wie du über deinen Großvater berichtet hast. Ich habe sehr liebevolle Großeltern gehabt, die ich sehr vereehrt habe. Ich erzähle unseren Enkelkinder ganz viel von ihren Ururgroßeltern und Urgroßeltern( meinen Eltern----meine Mutter lebt noch in einem Heim), aber unsere Enkel haben meine Mutter noch in einer sehr schönen Erinnerung. Ich hoffe, dass unsere Enkel über uns auch mal so viel Schönes berichten können und wir ihnen in guter Erinnerung bleiben werden.
LG Ute

naturmama hat gesagt…

Vielen Dank für das schöne Bild und für Deinen wundervollen Beitrag! Liebe Grüße

Caro

Sabrina hat gesagt…

Hallo Jana!

Seit einiger Zeit besuche ich Deinen Blog regelmäßig, weil er mir sooo gefällt. Ich finde es so schön, wie ehrfürchtig du von der Natur und allem - ich nenne es jetzt einmal "der Schöpfung" - berichtest. Deine Kreativität finde ich einfach genial. Da ich selbst Ergotherapeutin bin, finde ich es auch immer spannend, wenn Du kleine Einblicke in Deine Therapien gibst.
Ich glaube übrigens, dass es sehr wichtig für uns ist, dass wir unsere Ahnen ehren und ihnen dankbar sind dafür, was sie uns hinterlassen haben.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude bei Deinem Tun.

Ganz liebe Grüße aus Bayern,
Sabrina

Malimaunikat hat gesagt…

Liebe Jana,

es ist immer wieder schön bei dir vorbei zu schauen. Schön das du soviel wissen über deine Vergangenheit hast, das hat nicht jeder. Wenn ich mir das letzte Foto so anschaue, sieht man auch die Ähnlichkeit zwischen euch beiden.

Liebe Grüße Manja

Anneli/Bockfilz hat gesagt…

Sehr persönlich und sehr interessant! Danke, liebe Jana!

tüftelchen hat gesagt…

Liebe jana,
dein Post über deinen Großvater hat mich sehr berührt ;-)
Grade in dieser Zeit, wo auch ich mich meinen Ahnen näher fühle, als irgendsonst. Vielleicht sollte auch ich einmal Bilder zum Aufstellen und tagtäglichen Anschauen heraussuchen und ihr Wirken in einem Post neu beleben.
Einen kleinen Altar wünsch ich mir, wo auch Blumen aufgestellt werden zu bestimmten Gedenktagen, die mit ihnen zusammenhängen.
Hab Dank für deine tollen Anregungen!
Herzliebe Grüße
tüftelchen

Anonym hat gesagt…

Ein wunderschönes Bild! Ich habe es sofort auf meinen PC als Bildschirmschoner kopiert. Danke!
Ein Schöner Bericht über deinen Opa. Auch mein Opa musste in diesen unseeligen Krieg_und kam leider nicht wieder. Nur eine Handvoll Feldpost ist übrig geblieben. Er war überzeugt, dass er bald wieder kommen wird. Wenn ich das darin lese, muss ich als Enkelin weinen. Gut, dass unsere Generation sowas nicht miterleben mußte. Schön, dass dein Opa zurück kommen durfte!Auch ich habe die Bilder meiner Ahnen am Tischchen stehen und je älter ich werde, desto wichtiger empfinde ich unsere Ahnen für unser Gewordensein. Hab einen schönen Tag! Ich lese als stiller Teilnehmer gerne deine Beiträge.
L.G. Lisa

Inselzauber hat gesagt…

Ich freue mich mit Dir über diese schönen Gedanken. Mir geht das mit meine Großeltern ähnlich und ich erzähle es noch heute meine Kindern, damit die lieben Menschen in der Ewigkeit bei und weiter leben. LG Kirsten

Brita hat gesagt…

Liebe Jana, vielen Dank für das Teilen. An manchen Stellen habe ich mich in deinem Bericht auch wieder erkannt in Gedanken wie es früher war. Das Lichternest ist übrigens wunderschön! So komme auch ich ganz gemütlich durch den derzeitigen täglichen Nebel am Bodensee.
Liebe Grüsse
-Brita-

Sannis Kreativsofa hat gesagt…

Hallo Jana,
ein wunderschönes Bild und eine tolle Geschichte.
Als ich vor 10 Jahren mit der Genealogie begonnen habe, da hat mich eine Großmutter dabei noch tatkräftig unterstützt. Ein halbes Jahr später verstarb sie dann und nahm so manches Familiegeheimnis und offene Frage mit ins Grab.
Auch heute noch wünsche ich mir oft, das sie wieder da wäre und so manche Frage die sich im Zuge der Familienchronik stellt beantworten würde.
Liebe Grüsse aus dem kalten Mecklenburg
Sandra

Kima hat gesagt…

Liebe Jana,

deine Worte und das, was du in Erfahrung gebracht hast berührt tief. Und wenn du dann noch Verbindungen zu dir findest, ist das ein sehr erdendes und wurzelndes Gefühl.

HERZlichen Dank für das (Mit-)Teilen :)

Herbstlich bunte Grüße
Claudia