Vor zwei Wochen fand das jährliche Wiesenfest statt - eine Veranstaltung von Sozius und dem Augustenstift Schwerin. Ich war mit einem Informationsstand zum Thema "Spinnen" vertreten, weil ich mir vorstellen konnte, dass viele der dort betreuten Senioren mit dem alten Handwerk einige Erinnerungen verbinden. Die Besucher konnten von der noch ungewaschenen Rohwolle, über die gewaschene und kardierte Wolle, das Singlegarn, den Zweifachzwirn, die Maschenprobe und das fertige Strickstück alle Arbeitsschritte von Schaf zum Pullover betrachten und befühlen.
Zur Freude der Kinder - sie kardierten sich lange Rauschebärte - hatte ich eine Kardiermaschine dabei. Außerdem gab es einen Spinnplatz zum Ausprobieren und viele, viele Fühlproben tierischer und pflanzlicher spinnbarer Fasern.
Nicht nur Senioren, sondern auch die betreuenden Begleiter befühlten die Wolle, erinnerten sich und erzählten von ihren eigenen Erfahrungen und Erlebnissen... Eine Frau erzählte z. B., dass sie nach dem Krieg Watte versponnen und aus dem Garn Unterwäsche gestrickt hatte. Ein anderer Mann sprach von einem kleinen Familienbetrieb rund um das Schaf. Er war eher traurig darüber, dass die Handwerkskünste in der heutigen Welt so gering geschätzt werden. Selten bin ich auf eine so schöne Weise mit soooo vielen verschiedenen Menschen ins Gespräch gekommen. Die Effektgarne, die ich zur Ansicht dabei hatte, lösten einiges Erstaunen aus und der Spinnplatz neben meinem war beinahe immer besetzt. Viele Kinder, aber auch Erwachsene spannen ihren ersten Faden.
Und hier eine besonders berührende Begebenheit: Eine sehr alte Frau im Rollstuhl wirkte abwesend und wie in einer eigenen Welt. Als die jugendliche Betreuerin ihr eine Flocke ungewaschener Rohwolle in die Hände gab, huschte ein Hauch des Erinnerns über ihr zerfurchtes Gesicht und sie kam für einen Moment zurück...
8 Kommentare:
Hallo Jana,
wie schön du immer deine Erlebnisse in Worte fassen kannst. Ich danke dir dafür. Und die Bilder runden das Ganze wunderbar ab.
Durch mein Spinnrad komme ich auch immer wieder mit wildfremden Menschen in Kontakt. Die Gespräche, die sich daraus entwickeln, sind für mich immer eine Bereicherung.
Liebe Grüße
Sabine
Ja, solche Aktionen liebe ich auch sehr, besonders wenn sie in der richtigen Umgebung sind.
Ich sass schon als Attraktion auf Märkten wo wir eher veralbert wurden.
Dein Stand ist mal wieder sehr, sehr schön.
Schöne Bilder vom Stand.
Ich kann mich nur den anderen anschliessen, da gabs auch bei mir schon sehr schöne, bereichernde Begegnungen.
Liebe Grüße
karin
Ein sehr schöner Bericht, der Freude macht, aber auch nachdenklich.
Danke dafür!
LG
Annette
vielen dank für deinen schönen, anrührenden bericht über deinen stand!
linnea
hallo Jana,
die gleichen Erfahrungen hab ich auch schon bei Spinnvorführungen im Seniorenheim gemacht...egal , ob dement oder behindert nach Schlaganfall oder blind...die Rohwolle oder die Handspindel , manchmal auch ein gestrickter Handschuh und es erscheint ein Blick oder eine Geste des Erinnerns und auch die in früherer Zeit gelernten Bewegungen werden ausgeführt. Sei es das Zupfen der Wolle ,Drehen der Spindel, treten des Pedals, oder die Strickbewegung.Dazu ein Lächeln...das sind so bewegende Momente, die ich nicht missen möchte.
Und daneben, das Lachen, Forschen, Testen , Fragen der Kinder..die geduldig alles ausprobieren und sich über die neu erworbenen Kenntisse freuen und stolz "Ihre" kardierte oder gesponnenen Fasern nach Hause tragen.
lg gudrun
Liebe Jana,
es tut so gut, Deine Wörter zu lesen!
Was Du am Schluss über die alte Dame geschrieben hast, dass kann bei Demenzkranken als ein Element des Erinners zur Therapie eingesetzt werden.
Gut, das alles bei Dir zu lesen, traurig, dass so vieles von dem, was Generationen wussten, einfach so verschwindet.
Ich bedauere sehr, mich nicht einfach mal so ins Auto setzen zu können, um mich mit Dir unterhalten zu können, Deine Kreativität anfassen zu können.
Herzlichst!
Ev
ein wunderschöner bericht! wie schön,dass du sowas machst, danke jana
gruß wiebke
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