Gestern nun war die längste Nacht des Jahres, die Mütternacht, in der aus dem Schoß der Dunkelheit der Lichtfunke wiedergeboren wird. Diese Nacht markiert den Umkehrpunkt, die Wende, die Wintersonnenwende... Von nun an nimmt das Licht langsam, aber stetig zu. Nach und nach werden die Tage wieder länger und bis zur im Jahresrad gegenüberliegenden Sommersonnenwende verschenken die Nächte ihre Minuten an den Tag. Noch ist jedoch die Dunkelheit zu ehren. Bis zur Frühjahrs-Tag-und-Nachtgleiche durchleben wir die dunkle Jahreshälfte.
Eigentlich feiern wir in unserer Jahreskreisgruppe die Feste gemeinsam am nächstgelegenen Freitag. Heute also hätte unsere Feier stattgefunden, aber S. fühlte sich - trotz aller angebotenen Unterstützung - mit der Ausrichtung des Festes überfordert, sorgte für sich selbst und sagte uns ab. Und ich verstand auf einer tiefen Ebene des Eingebundenseins in die zyklischen, natürlichen Abläufe, dass ich auf diese Weise eingeladen war, die Stille, das Alleinsein, die Dunkelheit noch ein wenig länger zu genießen und die Wintersonnenwende allein und ganz intuitiv zu celebrieren.
Als es zu dämmern begann, ging ich in den Wald zu meinem Sitzplatzbaum, einer Rotbuche. Auf dem Weg dorthin legte ich aus tiefster Dankbarkeit für ein so reiches, wunderbares, herausforderndes und transformierendes Jahr händeweise Vogelfutter auf die den Weg säumenden Baumstümpfe. Mein Herz floss über...
Die Bäume steckten ihre Kronen zusammen, wiegten sich sanft und wisperten im Wind. Ich liebe den Blick in den dämmrigen Himmel und mag es so sehr, wenn sich die Silhouetten der Bäume klar abzeichnen.
Als ich an meiner Buche ankam, räucherte ich mit den Pflanzen, die ich im Sommer gesammelt und getrocknet hatte und dankte auch auf diese Weise. Ich setzte mich auf mein Sitzfellchen, den moosigen Stamm im Rücken, war mir der Krone über mir ebenso bewusst...
...wie des im Erdreich verborgenen Wurzelgeflechtes unter mir. Ich fühlte mich getragen und gehalten, in Dunkelheit gehüllt wie in ein weiches Tuch. Jedes Geräusch berührte mich zutiefst. Hier ein Wispern, dort ein Knuspern und Knacken - der abendliche Winterwald war voller Leben und ich war ein Teil davon. Tief tauchte ich ein. Eine kleine Eule zog lautlos einen Halbkreis über mir. In der Ferne riefen die hier überwinternden Kraniche. Ein Rehbock schreckte auf dem Feld. Ich trank heißen Tee und aß sehr langsam und bewusst mein Apfelbrot. Es war, als würde jede einzelne Nuss und jede Berberitzenbeere mit einer Erfahrung im Jahr verbunden sein. Auf diese so sinnliche Weise erinnerte ich mich. Meine Wahrnehmung ging mal nach außen, mal nach innen und weitete sich dann... Der erste Stern am dunklen Himmel erzählte mir von meinen Reisen in die inneren Schatten und von den funkelnden Schätzen, die ich heben durfte, weil ich es gewagt hatte, tief zu tauchen. Ich war sooo berührt, dass mir Tränen über die Wangen liefen.
Irgendwann wusste ich, dass es Zeit war. Ich zündete ein kleines Licht an, schaute lange in die Flamme und ließ mich beinahe hypnotisieren.
Ach Jana! Wieder so toll geschrieben. Was Du immer machst und ankommst! Ich hoffe, dass ich auch mal dort ankomme, wo Du jetzt bist. Ich glaube, mir würde auch schon die Hälfte reichen.
AntwortenLöschenNein, kein Neid - Anerkennung ist es, die ich Dir zolle.
Sei herzlich umarmt
Elke