Seit 11 Jahren arbeite ich in einer Rehabilitationsklinik für Abhängige von illegalen Drogen als Ergotherapeutin und Kunst-/Gestaltungstherapeutin. Zum Pflichttherapieprogramm für jede Patientin, jeden Patienten gehört einmal in der Woche 1,5 Stunden Ergotherapie im Rahmen der Bezugstherapiegruppe. Ich betrachte es in diesem Setting als meine Aufgabe, die Gruppe dabei zu unterstützen, eine gute Arbeitsfähigkeit zu erlangen und/oder zu erhalten. Dazu gehört, dass ich die natürlichen Gruppenprozesse begleite, z. B. die Ankunft und Integration neuer Gruppenmitglieder unterstütze, Konflikte mit gestalterischen Mitteln aufgreife, die dadurch sichtbar werden und besser bewältigt werden können, bildnerisch zur Selbst- und Fremdwahrnehmung oder zur Rollenverteilung arbeite etc.
Nachfolgende Aufgabenstellung ist eine mögliche, die ich für die Abschiedsphase in einer Gruppe entwickelt habe. Ein Patient wird die Gruppe verlassen, da seine Therapie nach sechs Monaten regulär zu Ende geht.
Der Ablauf ist wie folgt: Alle Gruppenmitglieder sitzen eng um einen Tisch herum, auf dem sich Nassschminke, Wassergefäße und Pinsel befinden. Alle Teilnehmer legen beide Hände nebeneinander auf den Tisch. Nun hat jeder die Aufgabe, mit seiner rechten Hand die linke Hand seines rechten Nachbarn zu schmücken. Anschließend darf jeder mit seiner linken (bereits bemalten) Hand die rechte Hand des linken Nachbarn bemalen. (Dadurch sind Rechtshänder und Linkshänder gleichermaßen gefordert.) Es hört sich anfangs ein wenig verwirrend an, wird in der Praxis jedoch ganz einfach. Jeder ist gleichzeitig aktiv und passiv, nehmend und gebend. Der Abschiednehmende hat zum letzten Mal die Möglichkeit, die Nähe seiner Gruppe zu spüren und kann den Abschied ganz bewusst wahrnehmen. Er kann sich berühren lassen und berührt selbst. Meistens wird es ganz still. Manchmal braucht die Gruppe Musik, die die Besinnung unterstützt. Und manchmal bleiben die Hände den ganzen Tag lang bunt. Oft fotografiere ich die bemalten Hände und lasse Postkarten herstellen, auf denen alle Gruppenmitglieder unterschreiben. So gibt es über den erlebnisintensiven Moment hinaus eine bildhafte Erinnerung an eine besondere Zeit im Leben.
Schöne Idee und schöne Hände die dabei rauskommen!
AntwortenLöschenIch habe von der Materie der Therapie ja eigentlich keine Ahnung, aber die Idee, oder der Gedanke der mir beim Lesen kam war dieser:
Wenn ich das Prinzip richtig verstanden habe, hat man ja nur Kontakt mit seinem rechten und linken Sitznachbarn, dem man abwechselnd die Hände bemalt und bemalt bekommt. Für das Gruppengefühl und das Gefühl Teil eines Ganzen zu sein, wäre es nicht eine Idee auch die Plätze bzw. Sitznachbarn zu tauschen? Sodass der nächste an der angefangenen Bemalung weiterarbeitet...?
Sehr schöne Abschlussrunde, finde ich, die du toll beschrieben hast. Vielleicht probiere ich das auch mal aus.
AntwortenLöschenIch glaube nicht dass, man die Plätze tauschen muss, das Gruppengefühl stellt sich auf jeden Fall durch die Runde und nachher durch das Gesamtbild her.
Danke für diesen Blog- Beitrag!
Hab ich ja selbst als Ergotherapeutin im Suchtbereich gearbeitet, berührt mich am meisten wie jung diese Hände sind....
AntwortenLöschenLiebe Jana
AntwortenLöschenIch arbeite mit alten Menschen und weiss wie wichtig Berührungen sind. Ich finde diese Art der Berührung schön und sinnlich. Ich mache dies ohne Farbe, nur mit Pinseln, weichen und auch etwas härteren. Das mit der Farbe geht nicht. Ich muss auch darauf achten, dass ich nicht mit "schmutzigem" Material arbeite.
Lieben Gruss
christineM.
Was für ein berührendes Abschiedsritual ! herzliche Grüße Anke
AntwortenLöschenGenau, Frauke ... diese "jungen hände" fielen mir auch gleich auf... Jana, Deine therapeutische vorgehensweise hast Du gut erklärt, wenn ich da an meine berufszeit denke, in der weise hätte ich mit meinen (älteren) patientinnen (teils zwangsneurosen - waschzwang)nicht arbeiten können, doch wäre es ein sehr gutes gruppen"erlebnis" gewesen ... auch berührung zuzulassen!
AntwortenLöschenDie Idee gefällt mir sehr gut und ich werde sie mit meinen Kindergartenkindern in vereinfachter Form, ausprobieren. Vielen Dank, dass du deine Idee hier öffentlich gemacht hast.
AntwortenLöschenLG Bine
Therapie nur für Kranke, das ist bei solchen Fotos und Berichten wirklich eine Unterlassungssünde! Sowas würde auch völlig gesunden Menschen einfach mal die Seele streicheln und Kraft für den Alltag schenken.
AntwortenLöschenIch hatte eine Gänsehaut beim Lesen und überlege, diese Aktion mal bei meinem nächsten Kinderschminken im Kindergarten zu initiieren. Danke für diese Inspiration!
Eine wunderbare Idee!!!!
AntwortenLöschen(und das nicht nur für Therapien...)
Liebe Grüße
mo
Tolle Idee L.G.Melanie
AntwortenLöschenwas für eine schöne idee! darf ich sie aufgreifen, wenn ich wieder kurse gebe?
AntwortenLöschenlg katrin
Dein Bericht hat mich sehr berührt- danke dafür.
AntwortenLöschenWunderbare Idee und Umsetzung. Körpermalerei hat für mich immer was mitberühren und berührt werden zu tun. Und nicht nur auf der Haut. Sondern tiefer. Bis jetzt habe ich in der Ergotherapie noch wenig mit Körpermalfarben gearbeitet, einige Hände und Körper durfte ich aber privat schon bemalen.
AntwortenLöschenAber ich denke ich werde das Thema in meiner Arbeit mit Kindern wieder aufgreifen.
Schön wieder mehr von dir zu lesen. Bleib bei dir.
Liebe Grüße
andi
@Alle: Danke für Eure Gedanken! Und - ja, ich denke auch, dass Kontakt, Berührung, Nähe uns allen gut tut. ;)
AntwortenLöschen@J: Sicher ist noch ganz viel Anderes möglich. Ich lege bei dieser Aufgabenstellung den Fokus auf Besinnung und Wahrnehmung. Ein häufiger Platzwechsel brächte da vermutlich eher Unruhe in die Gruppe. Aber vielleicht probierst Du es ja mal aus und erzählst dann Deine Erfahrungen?
@Frauke und Wollflocke: Ja - jung sind sie...
@Katrin: Natürlich darfst Du diese "Übung" bei Deinen Kursen einsetzen.
Einen schönen Tag Euch und lieben Gruß
Jana
Liebe Jana,
AntwortenLöschendu machst mich ganz hibbelig! Ich war so frei und habe eben das tolle Händefoto in eine Whiteboarddatei kopiert um sie morgen meinen Viertklässlern zu zeigen (ich durfte doch?).
Ich bin sicher: Das wollen die auch machen!
Und ich? Freue mich schon drauf!
Danke für diesen tollen inspirierenden Post!
Liebe Grüße!
ULL-Rike
@ULL-Rike: Viel Freude den Viertklässlern und Dir mit den bunten Händen!
AntwortenLöschenHerzlich
Jana
EIne brührende und superschöne Idee!
AntwortenLöschenHallo liebe Jana,
AntwortenLöscheneine Kollegin (Ull-Rike), die, wie ich eben sehe, auch schon einen Kommentar hinterlassen hat, hat mich auf deine Seite aufmerksam gemacht.
Sie war so begeistert von den bemalten Händen und ich hab mich eben auch anstecken lassen :-)
Auch ich möchte das gerne unbedingt mit meinen Schülern nachmachen, das wird sicher eine tolle Sache, die die Kinder auch einander näher bringt!
Danke für den Beitrag!
LG Susi